Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis für auf Privatgrundstücken aufgestellte Altkleidercontainer
Bislang entsprach es der herrschenden Rechtsprechung, dass für auf Privatgrundstücken aufgestellte Altkleidercontainer eine Sondernutzungserlaubnis benötigt wird, wenn sie von der Straße bzw. dem Gehweg aus befüllbar sind (Oberverwaltungsgericht – OVG – NRW, Beschl. v. 15.07.1999 – 23 B 334/99). Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden ist dieser Rechtsprechung des OVG NRW, welche zuletzt unter anderem durch das VG Neustadt a.d. Weinstraße (Beschl. v. 27.02.2013 – 4 L 90/13.NW), das VG Mainz (Beschl. v. 12.03.2014 – 6 L 123/14.MZ) und durch das VG Saarlouis (Urt. v. 10.09.2014 – 6 K 475/14) bestätigt wurde, entgegengetreten (Beschl. v. 09.01.2015 – 7 L 1576/14.WI).
In dem vom VG Wiesbaden zu entscheidenden Fall hatte die Antragstellerin, eine gewerbliche Sammlerin, Altkleidercontainer auf Privatgrundstücken in Wiesbaden aufgestellt. Die Container waren mit der Adresse der Antragstellerin versehen. Die Antragstellerin hatte die Container teilweise direkt an der Grundstücksgrenze, aber auch bis zu einem halben Meter entfernt von der Straße auf den Privatgrundstücken aufgestellt.
Die Landeshauptstadt Wiesbaden brachte an den Containern daraufhin einen Zettel an, um der Antragstellerin sinngemäß mitzuteilen, dass ihre Container ohne erforderliche Sondernutzungserlaubnis aufgestellt worden und daher bis zu einer von der Behörde gesetzten Frist zu entfernen seien; ansonsten würden die Container per Ersatzvornahme entfernt werden. Soweit die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin angebrachten Zettel wahrnahm, legte sie Widerspruch ein.
Nachdem die Antragstellerin die Container nicht entfernt hatte, entfernte die Landeshauptstadt Wiesbaden diese. Mit Bescheid forderte sie von der Antragstellerin die Kosten für die Entfernung und Verwahrung der Container. Weiterhin teilte die Landeshauptstadt Wiesbaden mit, dass die Container längstens zwei Monate nach Zahlungsaufforderung in Verwahrung bleiben würden. Begleiche die Antragstellerin innerhalb dieser Zeit nicht die Kosten und hole die Container ab, würden die Container verwertet oder entsorgt.
Das hiergegen durch die Antragstellerin vor dem VG Wiesbaden eingeleitete Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hatte Erfolg.
Das VG Wiesbaden hat festgestellt, dass bereits die Entfernung der Container rechtswidrig war. Zwar seien die per Zettel angebrachten Beseitigungsaufforderungen als Verwaltungsakte zu qualifizieren gewesen. Sie seien jedoch nicht vollstreckbar gewesen, da sie nicht bestandskräftig geworden wären. Zudem seien die Verwaltungsakte der Antragstellerin nicht bekannt gegeben worden, soweit sie keine Kenntnis von diesen hatte. In den Fällen, in denen die Antragstellerin jedoch Kenntnis von den angebrachten Zetteln hatte, hätte sie ordnungsgemäß Widerspruch eingelegt und somit die Bestandskraft der Verwaltungsakte gehemmt. Ferner fehle es an einer Zustellung der Verwaltungsakte, welche aber Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Vollstreckung sei.
Schließlich sei ungeachtet der formellen Mängel der Verwaltungsakte darauf hinzuweisen, dass die Beseitigungsanordnung nicht auf § 17a Abs. 1 Satz 1 Hessisches Straßengesetz (HStrG) hätte gestützt werden können. Nach dieser Norm kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung einer Straße anordnen, wenn die Benutzung ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis erfolgt. Dies sei aber nicht der Fall, da das Aufstellen der Altkleidercontainer auf Privatgrundstücken nicht über den Gemeingebrauch hinausgehe und somit bereits keine Sondernutzung gem. § 16 Abs. 1 HStrG vorliege.
Das VG Wiesbaden führt zur Frage des Umfangs des Gemeingebrauchs unter anderem aus, dass unter Gemeingebrauch das jedermann zustehende subjektive öffentliche Recht zu verstehen sei, eine öffentliche Straße im Rahmen der Widmung ohne besondere Zulassung zu Zwecken des Verkehrs zu nutzen (§ 14 HStrG). Darüber hinaus sei bei innerörtlichen Straßen die Nutzung der Straße durch ihre Aufenthalts- und Erschließungsfunktion für die Anliegergeschäfte gekennzeichnet, das heißt dem Verkehr komme auch eine sogenannte kommunikative Komponente zu. Daher diene die Straße auch dem geschäftlichen und kommunikativen Verkehr in vielfältiger Weise. Somit sei entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch der geschäftliche Verkehr wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Verkehrs im Sinne des Gemeingebrauchs. Selbst wenn die mit dem Befüllen der Container verbundenen Handlungen keine Vorgänge darstellen würden, die überwiegend dem öffentlichen Verkehr dienten, sondern der gewerblichen Betätigung des Aufstellers zuzurechnen seien, müsste im Einzelnen von der Antragsgegnerin dargelegt werden, in welcher Distanz die Container von der Straße entfernt gestanden hätten und ob die Klappe des Altkleidercontainers eventuell von den der Straße abgewandten Seiten zu bedienen gewesen wäre. Auch könne in dem Abholen der Altkleider aus dem Altkleidercontainer, der auf privatem Grund steht, keine Sondernutzung liegen, da sich das dafür erforderliche Überqueren des öffentlichen Gehwegs nicht von der Belieferung eines Geschäfts mit Waren von einem Lieferfahrzeug aus unterscheide.
Die Entscheidung des VG Wiesbaden ist zu begrüßen. Die Frage, ob für das Aufstellen von Altkleidercontainern auf Privatgrundstücken eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich ist, wird vom Gesetz nicht eindeutig beantwortet und wirft daher erhebliche Rechtsunsicherheiten bei gewerblichen Sammlern auf. Gegen eine Sondernutzung spricht zunächst, dass sich der Altkleidercontainer nicht im öffentlichen Straßenraum befindet. Grundsätzlich liegt eine Überschreitung des Gemeingebrauchs erst vor, wenn die Anlage in den Straßenraum hineinragt – was aber vorliegend nicht der Fall war. Weiterhin ist die vom OVG NRW vertretene Ansicht fraglich, dass die mit der Befüllung des Altkleidercontainers verbundenen Handlungen – Lektüre einer Gebrauchsanweisung, Öffnen einer Klappe, Einwerfen von Schuhen oder Kleidung – den Gemeingebrauch anderer Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt. Denn dadurch, dass sich der Altkleidercontainer gerade nicht im öffentlichen Straßenraum befindet, spielen sich diese Vorgänge am Rande der Straße bzw. bereits teilweise auf dem Privatgrundstück ab. Eine vergleichbare Beeinträchtigung, wie sie etwa von Warenautomaten im öffentlichen Verkehrsraum ausgeht, dürfte gerade nicht vorliegen. Dies spricht dafür, dass die Befüllung von Altkleidercontainern als vom Gemeingebrauch umfasster geschäftlicher und kommunikativer Vorgang i.S. der Entscheidung des VG Wiesbaden zu beurteilen ist.
Unabhängig von der Entscheidung des VG Wiesbaden ist nach wie vor bei der Aufstellung von Altkleidercontainern auf Privatgrundstücken Vorsicht geboten. Denn die vom VG Wiesbaden vertretene Ansicht stellt zurzeit noch eine Mindermeinung dar. Ob sich andere Verwaltungsgerichte der Entscheidung des VG Wiesbaden anschließen, bleibt abzuwarten. Es empfiehlt sich daher Altkleidercontainer vorsichtshalber so auf Privatgrundstücken aufzustellen, dass sie nicht von der öffentlichen Straße aus befüllbar sind. Alternativ besteht auch die Möglichkeit sich von der zuständigen Behörde – vor der geplanten Aufstellung des Containers – zusichern zu lassen, dass das Aufstellen des Containers keiner Sondernutzung bedarf. Andernfalls besteht das Risiko einer unerlaubten Sondernutzung, welche grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Darüber hinaus können Verstöße gegen das Straßenrecht weitreichende Folgen haben, denn nach der Rechtsprechung sind solche Verstöße auch bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit von gewerblichen Sammlern beachtlich.